Epilog

Was haben diese drei Aussagen, die wir vor der Abreise zu hören bekommen haben, gemeinsam?
„Das könnt ihr nicht machen“
„Die Kinder verlieren ein Jahr“
„Das geht nicht“
Die Antwort: sie sind falsch.
Wir haben es gemacht, denn wie Irenes Mutter schon immer sagte: “ ‚Kann net‘ gibt’s net. Heißt immer: ‚will net‘.“ Jeder kann das machen, was er will und was er sich wünscht. Er muss sich nur trauen. Wir haben es uns gewünscht, wir haben darauf hingearbeitet, wir haben eine Entscheidung getroffen und wir haben es gemacht. Und diese Entscheidung war die beste, die wir treffen konnten.
Wie kann man ein Jahr verlieren? Man kann seine Geldbörse verlieren, man kann einen Schlüssel verlieren, aber kann einem die Zeit aus der Tasche fallen? Man kann sie höchstens ungünstig nutzen. Die Kinder haben also ein Jahr, in dem sie an die Universität hätten gehen können, in dem sie eine Ausbildung hätten anfangen können, anders genutzt, als die meisten ihrer Altersgenossen.
 Sie haben gelernt, wie man in Indien eine Straße überquert. Sie haben gelernt, wie man sich ohne Worte verständigen kann. Sie haben gelernt, dass Männer, die in die Moschee gehen, keine Bomben mit sich herum tragen. Wie man Kamele sattelt, und wie Laotische Krankenhäuser aussehen. Sie wissen wie Rambutan schmeckt, wie man eine Wunde mit Eierschale verarzten kann und warum die Inder ihren Kindern die Augen schwarz schminken. Sie wissen wie man Danke auf zehn verschiedenen Sprachen sagt, haben gesehen wie abgemagerten Bettlern größter Respekt entgegen gebracht wird und haben gelernt zu erkennen wem man vertrauen kann. Sie haben mit Menschen vieler Religionen und Nationalitäten gesprochen, haben Lebensgeschichten gehört und über alle erdenklichen Themen auf allen möglichen Sprachen diskutiert.
Sie haben ein Jahr lang die Lebensuniversität besucht und haben dort Dinge gelernt, die sonst nirgends unterrichtet werden. Sie wissen wie man sich in der Welt zurechtfindet, wie man Sprachbarrieren zum Einsturz bringt und über Kulturunterschiede Brücken baut. Dieses Jahr hat Ina und Anne kein Zertifikat eingebracht, aber Vertrauen in sich selbst und Verständnis für die Welt.
So vieles geht nicht in den Köpfen vieler Menschen. Aber wir sollten eine Eigenheit der Inder übernehmen. Der meist gesagte Satz dort ist : „No problem!“ Alles geht, alles ist möglich, auch eine Weltreise mit der Familie.
Im vergangenen Jahr haben wir in Wasserfällen gebadet, haben Vulkane bestiegen und die dünne Luft auf hohen Bergen geatmet.
Wir sind auf Wellen geritten, haben Meere überquert und sind in ihnen abgetaucht. Wir flogen Gleitschirm in der trockensten Wüste, kletterten durch Regenwälder und schwitzten im Outback. Wir besuchten riesige Metropolen und wohnten in abgeschiedenen Regionen. Wir reisten durch 20 Länder, gewannen Freunde aus der ganzen Welt und bringen hunderte Ideen, tausende Erlebnisse und Millionen Eindrücke mit zurück.
Wir waren dabei, als der Monsun in Indien zwei Monate zu spät kam und die Dürre beendete. Wir sprachen mit Tibetischen Flüchtlingen in Nepal. Wir erlebten Myanmar, wie es kurz nach dem Regierungswechsel und der Grenzöffnung im Aufbruch ist. Wir reisten durch Sulawesi, während man unter vorgehaltener Hand befürchtete, ein Bürgerkrieg könne ausbrechen. Wir überlebten den Weltuntergang im Dezember 2012. Wir sahen die Buschfeuer in Australien, Ina erlebte die Überschwemmungen, die kurz darauf folgten. Gerade noch so entkamen wir einem Streik in Bolivien, der viele Reisende lange festsitzen lies. Wir waren bei den Demonstrationen in Brasilien, in die Alle so große Hoffnung setzen. Wir erlebten Erdbeben, hörten Vulkane knurren und erfuhren von Ungerechtigkeiten und Konflikten in der Welt, über die unsere Medien schon lange nicht mehr berichten.
Wir haben festgestellt, dass die ganze Welt im Umbruch ist. Das Wetter spielt überall verrückt, Menschen von allen Kontinenten erzählten uns davon. Und ehemals geduldige Menschen spielen verrückt, die bis jetzt ruhig ihr Unrecht erdulded haben. Sie stehen auf und tun etwas dagegen, in allen Teilen der Welt. Alte Systeme werden überdacht, Gesellschaften formen sich neu, Gedanken ändern sich und man will Veränderungen, um gemeinsam eine bessere Welt zu erschaffen.
Und jeder von uns ist ein Teil davon.
Danke, dass ihr mit uns gereist seid. Und wir hoffen, dass ihr beim Lesen der vielen Berichte auf diesem Blog etwas gelernt habt, etwas verstanden, erfahren oder mitgenommen habt, das ihr weiter in die Welt tragen könnt.
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4 Antworten zu Epilog

  1. Reiner schreibt:

    Hallo ihr 4,
    ihr habt schon Recht. Einer meiner viel gebrauchten Sprüche (zwar meist bezogen auf meine Arbeit, aber immerhin) ist, wie in eurer Einleitung oben beschrieben:
    Alle sagten immer: „Das geht nicht“. Und dann kommen welche, die das nicht wussten und haben es einfach gemacht,
    Ihr habt gut daran getan, es genau so zu machen. Das Erlebte kann euch keiner mehr nehmen. Und – unabhängig von den Erfahrungen, die ihr auf eurer Reise einzeln oder gemeinsam gemacht habt – gibt es einen Punkt, der ebenfalls nicht mit Gold aufzuwiegen ist: es schweißt die Familie ganz eng zusammen. Jeder von euch weiß spätestens jetzt: ich kann dem anderen vertauen und mich voll und ganz auf ihn verlassen. Und das wird so bleiben.
    Ich bin froh, dass ihr alle wieder heil und gesund zurück seid. Danke, dass wir mit euch reisen durften und so wenigstens einen Hauch dessen, was ihr erlebt habt, aufnehmen konnten. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit euch.
    Ganz liebe Grüße
    Reiner

  2. Weimer schreibt:

    Vielen -vielen Dank , das wir das alles mitlesen durften . Ohne Zweifel das war für die Mädchen Schule fürs Leben. Das kann man doch auf keinem Uni lernen. Viel Glück auch weiter hier in der Heimat. Lydia.

  3. Moritz & Yvonne schreibt:

    Ihr seid echt die „geilsten“. Vielen Dank für diese wunderschönen Zeilen, die im Grunde nur eins bedeuten: Ihr lebt – lebt und liebt das Leben. Nochmals: schön Euch getroffen zu haben – vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder – in einem Regenwald, an einem traumhaften Strand, einem Supermarkt in Bayern – wer weiß – nicht berechen- oder kalkulierbar. Spannend muss es bleiben – das Leben.
    Viel Freude und Glück beim „Wiedereingliedern“ – bleibt so wie Ihr seid
    Schöne Grüße aus Oregon/USA.
    Mo

  4. Christine Seger schreibt:

    DANKE, dass wir mit euch reisen durften, dass ihr uns habt teilhaben lassen an euren Erlebnissen. SCHÖN, dass ihr wieder heil zurück seid und euer Abenteuer geglückt ist.
    FREUDE kommt auf bei dem Gedanken an ein Wiedersehen, hier in good old BK

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